Das ist schlimm, aber in der harten Realität der internationalen Politik nichts außergewöhnliches. Ständig auf Einhaltung des Völkerrechts zu pochen und es zum Maßstab zu erheben, wie in Deutschland zumeist der Fall, geschieht durchaus aus normativer Überzeugung, aber eben auch, weil uns aufgrund eigener Schwäche nichts anderes übrig bleibt. Robert Kagan hat das so zusammengefasst:
,,Weil die Europäer relativ schwach sind, haben sie ein tiefes Interesse daran, die brutalen Gesetze einer anarchischen Hobbesschen Welt, in der letztlich die jeweilige Machtposition über Sicherheit und Erfolg der Staaten entscheidet, zu entwerten und schließlich abzuschaffen.''
Das Pochen aufs Völkerrecht ist zwar ein Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Aber es bringt wohl nur bedingt etwas. Stärkere Staaten brechen nun mal häufig ihre Versprechen und halten sich nicht ans Recht, wenn es ihren Interessen nützt - das Einmaleins der Realpolitik. Das beweisen jetzt nicht nur die Russen, sondern auch die Amerikaner und die Chinesen immer wieder. Leider.
Hiergegen hilft nur eigene Stärke und Souveränität. Ein Mittel, um das zu erreichen, ist Aufrüstung. Sich auf das Völkerrecht und seine Bündnispartner zu verlassen, ist zu wenig und reicht im Ernstfall nur zu Symbolpolitik, zum Moralisieren, zur feministischen Außenpolitik - all das eher Symptome eigener Ohnmacht, die vom Gegenüber auch so wahrgenommen werden. Es ist, wie es Thukydides schon sinngemäß sagte: Recht könne nur zwischen Gleichstarken gelten. Bei ungleichen Kräfteverhältnissen tue der Starke, was er könne, und der Schwache, was er müsse.
Das ist keine Kritik am Völkerrecht, sondern bloß eine nüchterne Feststellung, daß man sich auf dieses nicht verlassen sollte, vor allem wenn man als Akteur auf internationalem Parkett selbst nichts zu melden hat. Vielleicht kommen ja einige durch diesen geopolitischen Schock auf dem Boden der Realität an, der viel härter ist, als man lange Zeit dachte.


